100 Jahre Rundfunk in Argentinien RAE ARGENTINIEN IN DIE WELT

1982: der Rundfunk während des Malwinenkriegs

In diesem Jahr feiern wir das hundertjährige Bestehen des Rundfunks in unserem Land und möchten uns aus diesem Anlass mit einem ganz besonderen Ereignis auseinandersetzen, das dem argentinischen Rundfunk eine führende Rolle zuteil werden ließ, nämlich dem Krieg um die Malwineninseln, der am 2. April 1982 begann.

 

 

Krieg wird ja bekanntlich nicht nur im militärischen und diplomatischen Bereich geführt sondern auch im wirtschaftlichen und natürlich auch im Kommunikationsbereich. Und mit diesem werden wir uns nun befassen und dabei besonders mit der damaligen Nutzung des Rundfunks als Propagandamittel.

Im Laufe der Zeit haben die meisten Länder das große Potenzial des Rundfunks sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten erkannt.

Historisch gesehen war Deutschland das erste Land, das dieses Medium für rein politische Zwecke nutzte. Während des 2. Weltkriegs wurden die Sendungen von Radio Tokyo, dem Deutschlandsender, der BBC in London und anderen Stationen von den Konfliktmächten und -ländern für Propaganda und militärische Zwecke genutzt.

Die Nachkriegszeit und der anschließende Kalte Krieg führten zu dem sogenannten „Krieg im Äther“. In dieser Zeit entstanden unzählige Stationen mit eigenen Propagandastilen für gegensätzliche soziale, politische und wirtschaftliche Systeme. Ein Beispiel dafür sind die Sendungen von Radio Moskau, Voice of America oder Radio Peking. Neben diesen Sendern entstanden weitere, die eindeutig politischer Natur waren, wie Radio Free Europe und Radio Liberty, die Programme für osteuropäische Länder und für die Republiken ausstrahlen, die nach der Zersplitterung und dem anschließenden Verschwinden der Sowjetunion ihre Unabhängigkeit erlangten. Zu dieser Gruppe gehören auch die so genannten clandestinen Sender, die in der Regel heimlich von den Konfliktgebieten selbst oder aus nahe gelegenen Regionen oder über gemietete Sendeanlagen senden.

Vor dem 2. April 1982 gab es auf den Malwineninseln nur eine einzige Radiostation: Falkland Islands Radio Service (FIBS) - ihre Sendungen erfolgten auf 536 kHz und 2370 kHz in englischer Sprache, ausgestrahlt wurden lokale Inhalte und Nachrichten von der BBC in London. Mit der AM-Frequenz sollte das Gebiet abgedeckt werden, das damals Port Stanley hieß, und mit der Kurzwelle sollten weiter entfernte Gebiete der Inseln erreicht werden.

Ferner waren dort auf der Kurzwelle Sendungen von Radiodifusión Argentina al Exterior (RAE) und von Radio Noticias Argentinas in englischer Sprache zu empfangen, sowie ein Sonderdienst der BBC in London für die „Kelpers“, die Inselbewohner.

Was das Fernsehen anbelangt, konnte man auf dem Archipel gelegentlich nur Canal 9 von Río Gallegos (Provinz Santa Cruz, Patagonien) empfangen.

Ab dem 2. April 1982, als die argentinischen Streitkräfte die Malwineninseln und benachbarte Inselterritorien zurückeroberten, änderte sich dies drastisch: FIBS wurde vom argentinischen Militär besetzt, und seine Einrichtungen wurden von dem Sender genutzt, der in Radio Nacional eingegliedert wurde und kurz darauf auf Sendung ging: LRA60 Radio Nacional Islas Malvinas. Bald nahmen dort u.a. der Toningenieur Ernesto Manuel Dalmau, der Techniker Fernando Héctor Péndola, und der Ansager Norman Carlos Powell ihre Tätigkeit auf. LRA60 nutzte also die bereits vorhandene Sendeausrüstung und Infrastruktur von Falkland Island Broadcasting Station. (FIBS), und der ehemalige Leiter von FIBS, Patrick Watts, arbeitete während des Kriegs weiterhin, nun als Sprecher bei LRA60, denn man wollte sich sein Wissen um den Standort und seine fließenden Englischkenntnisse zunutze machen, was aber ein grober Fehler war, denn in den Sendungen verriet er militärstrategische Daten …

Während des Krieges und bis zu seinem Ende sendete LRA60 Radio Nacional Islas Malvinas über ein Kabelsystem, das sich innerhalb des Umkreises von Puerto Argentino (Port Stanley) befand, und benutzte zusätzlich die Mittel- und die Kurzwellenfrequenzen (536 bzw. 2370 kHz). Das Programm wurde auch auf anderen Kurzwellenfrequenzen übertragen, die als Relais mit dem argentinischen Festland genutzt wurden, und auf diese Weise wurde das Programm von anderen argentinischen Sendern empfangen und weiterverbreitet. Bei mehreren Gelegenheiten stand LRA60 an der Spitze des gesamten Stationsnetzwerks des inzwischen aufgelösten Servicio Oficial de Radiodifusión.

Die als Relais verwendeten Frequenzen waren 15.890 kHz und 24.146 kHz und gehörten der von Cable & Wireless Co. installierten Station VPC, die mit Einseitenbandmodulation arbeiteten und vor Ausbruch des Konflikts für die Punkt-zu-Punkt-Kommunikation zwischen den Inseln und England eingesetzt worden waren.

Die Sendungen von LRA60 waren sehr abwechslungsreich und beinhalteten Musik auf Englisch und Spanisch, Sportsendungen direkt von der BBC und Durchsagen für die städtische und ländliche Bevölkerung in beiden Sprachen. Die regelmäßige Ausstrahlung von Botschaften an die ländliche Bevölkerung in den verschiedenen Bauernhöfen, auf dem Archipel wurde ebenfalls fortgesetzt.

An diesen ereignisreichen Tagen verstärkte Argentinien die Sendungen, die in Richtung Malwineninseln ausgestrahlt wurden: Es gab Sondersendungen von RAE und Radio Noticias, die auf 6060 kHz ausgestrahlt wurden, sowie einige, die bei LRA 11 Radio Nacional Comodoro Rivadavia (Chubut, Patagonien) produziert wurden; LRA24 Radio Nacional Río Grande (Feuerland) produzierte und gestaltete ebenfalls Sendungen für LRA60.

Das Mittelwellensignal von LRA 60 wurde auch dazu verwendet, mit der ländlichen Bevölkerung der beiden größten Inseln des Archipels (Gran Malvina - Westfalkland - und Soledad – Ostfalkland -) die Flüge zu organisieren, durch die sie Post und Medikamente erhielt.

Einige Tage nach dem 1. Mai 1982 wurden die Mittel- und Kurzwellensignale jedoch häufig von den Technikern zum Schweigen gebracht, da sie in Chile gut zu empfangen waren und dortigen Hörern zu Spionagezwecken gegen Argentinien dienten.

Diese Radiosendungen wurden zwar wieder aufgenommen, fanden aber mit Unterbrechungen statt, oft ohne Inhalt, wahrscheinlich damit sie von argentinischen Flugzeugen als Funkbake benutzt wurden. Die Sendungen von LRA 60 wurden dann nur während des Besuchs von Papst Johannes Paul II. in Argentinien - gegen Ende des Kriegs - wiederaufgenommen. Innerhalb von Puerto Argentino (Port Stanley) sendete LRA 60 weiterhin über das Kabelsystem .

Kurz vor dem 14. Juni, als die Kolonialstreitkräfte die Inseln für Großbritannien zurückeroberten, mussten die Sendungen von LRA 60 Radio Nacional Islas Malvinas wegen eines Stromausfalls, infolge britischer Bombenangriffe auf Puerto Argentino, eingestellt werden. Bei diesen Angriffen wurden auch der Mittelwellensender und dessen Antenne zerstört.

Aber gehen wir doch zu den ersten Tagen nach der Rückeroberung der Inseln durch Argentinien zurück: Als Großbritannien die Entsendung seiner gigantischen „Task Force“ ankündigte, begann Argentinien mit dem Betrieb einer Propagandastation, deren Name und Geschichte uns in die Zeit des Konflikts zurückführen. Sie hieß „Liberty“ und sendete in englischer Sprache für die britischen Soldaten, die gerade anfingen, in Dutzenden von Kriegs- und Unterstützungsschiffen den Atlantischen Ozean zu überqueren. „Liberty“ sendete auf Kurzwelle auf 17.740 kHz im 16-Meter-Band und hatte zum Ziel, den Soldaten und Matrosen das nutzlose Opfer vor Augen zu führen, das die Mitglieder der Royal Navy für ein fernes und ihnen unbekanntes Territorium bringen würden.

„Liberty“ war eine süße und sinnliche Frauenstimme, die mit den jungen englischen Militärs über die Aggression Großbritanniens gegen Argentinien sprach. „Liberty“ also war eine Frau, die den Engländern in die Ohren sprach und sie fragte, ob sie „doch nicht lieber zu Hause sein und sich ein Fußballspiel anschauen wollten...“, sie sprach jeden einzelnen ihrer Zuhörer: an und sagte ihnen „… ich möchte dir Gesellschaft leisten... du hast deiner Freundin geschrieben… ich weiß, du sehnst dich nach ihr ...“

Die Sendungen von Radio Liberty, oder einfach Liberty wurden täglich von einer Ansagerin moderiert, die erklärte, man könnte ihre Stimme in einem schönen Haus am Belgrave Square oder in einem Schiff auf hoher See hören, dann sagte sie, während im Hintergrund „Yesterday“ von den Beatles zu hören war: „Hallo, ich bin Liberty und habe beschlossen mich der Welt von einem Ort aus zu zeigen, der weit entfernt von Ihnen ist, den Inseln Malwinen, Südsandwich und Südgeorgien, ich bin eine Stimme, ein Geist, ein Land“.

Erst lange Zeit nach Kriegsende wurde bekannt, dass es die Stimme der Journalistin und Ansagerin Silvia Fernández Barrios war, die damals beim staatlichen Fernsehsender ATC tätig war, der Ansager und Journalist Enrique Alejandro Mancini war für die Inhalte zuständig.

Die damaligen argentinischen Militärbehörden versuchten die Unterhaltungsbedürfnisse der argentinischen Soldaten, die auf den Malwineninseln und in verschiedenen Orten Patagoniens stationiert waren, durch die Übertragung von drei der damals beliebtesten Sender von Buenos Aires auf verschiedenen Kurzwellenfrequenzen zu befriedigen: LS 10 Radio del Plata (sehr beliebt unter Jugendlichen wegen der Musikauswahl); LS 5 Radio Rivadavia (dessen Sportprogramme und Übertragungen von Fußballspielen, Boxkämpfen und Autorennen von Millionen von Landsleuten verfolgt wurden) und LS4 Radio Continental (der besonders für seine journalistischen Inhalte bekannt war). Es ist darauf hinzuweisen , dass alle diese Radiosender, mit einigen wenigen Ausnahmen, seit 1976 unter militärischer Kontrolle standen und ihre Programme streng zensiert wurden.

Dieser Bericht wäre unvollständig, wenn wir nicht darauf hinweisen würden, dass sich alle großen internationalen Rundfunkanstalten weltweit eingehend mit den Ereignissen im Südatlantik befassten. Während des Malwinen-Krieges verlängerte die BBC die spanischsprachigen Sendungen nach Lateinamerika sowie ihre englischsprachigen Sendungen für die Inselbewohner. Ab dem 1. Mai 1982 verschärfte sich dieser Krieg im Äther: Während die BBC anprangerte, dass die Sendungen ihres Lateinamerikadienstes von Argentinien aus gestört wurden, teilten die Behörden von Radio Nacional Buenos Aires mit, dass ihre Kurzwellendienste sehr wahrscheinlich vom Norden des amerikanischen Kontinents aus gestört wurden.

An einem so wichtigen Tag wie dem 100-jährigen Jubiläum des Radios in Argentinien, das in diesem Jahr gefeiert wird, kann die Erinnerung an die Radioszene während des Malwinen-Krieges nicht fehlen.

Text: Arnaldo Slaen

Übersetzung und Stimme: Rayén Braun

Webseite: Julián Cortez